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Berufsbild Biografiearbeit © der Berufsvereinigung Biografiearbeit auf Grundlage der Anthroposophie e.V.

Was ist Biografiearbeit auf anthroposophischer Grundlage?

 

Der Lebenslauf des Menschen ist Ausgangspunkt der Biografiearbeit.
In jedem Menschenleben gibt es Erlebnisse, Ereignisse und Krisen, die Fragen nach den Zusammenhängen und dem Sinn entstehen lassen.

Anthroposophische Biografiearbeit setzt bei den aktuellen Fragestellungen der Menschen an und lässt sich von diesen leiten. Sie begleitet und unterstützt den individuellen Entwicklungsweg. Biografiearbeit kann dazu beitragen, eine fragende und offenere Haltung der eigenen Biografie gegenüber zu entwickeln und dadurch Zusammenhänge bewusst zu empfinden, zu erkennen und anzuerkennen. Dies schafft die Grundlage zu freierem Gestalten der eigenen Zukunft.

Biografiearbeit auf anthroposophischer Grundlage ermöglicht aufzuzeigen, wie im Lebenslauf über das Individuelle hinaus auch biografische Rhythmen und Gesetzmäßigkeiten wirken und wie die eigene Biografie eingebettet ist in die allgemeine menschliche Entwicklung. Dadurch können biografische Erfahrungen besser verstanden werden. Im Erkennen dessen, was sich entwickeln will, kann die Lebensgestaltung bewusster ergriffen werden.

Darüber hinaus gibt es im Lebenslauf des Menschen Erlebnisse und Ereignisse, deren Ursachen oder Wirkungen sich nicht innerhalb eines Erdenlebens finden lassen. Biografiearbeit auf anthroposophischer Grundlage versteht aus ihrem Welt- und Menschenbild den Lebenslauf als einen langen Entwicklungsweg der menschlichen Individualität durch aufeinander bezogene vergangene und zukünftige Inkarnationen. Anthroposophie spricht hier von Reinkarnation und Karma. Karma vollzieht sich nach einer Lebensgesetzmäßigkeit und wird durch den Menschen im Tun und Lassen selbst ausgelöst. Es ist die Wirkung der Kräfte seiner Einstellungen und Handlungen, die dem Menschen in späteren Zeiten und weiteren Erdenleben als Schicksal begegnet.

Biografiearbeit will den Menschen dabei unterstützen, selbstbewusst freier Gestalter seines Schicksals zu werden.

 

Biografiearbeit - eine eigenständige Fachrichtung

Die Biografiearbeit als Beruf hat eine allgemein-menschliche Ausrichtung und gehört keiner bestehenden Fachrichtung an.

Biografische Aspekte werden auch in medizinischen, psychotherapeutischen, seelsorgerischen, pädagogischen, sozialen Arbeitsfeldern und in anderen therapeutischen Berufen sowie in der universitären Biografieforschung bearbeitet; jede dieser Fachrichtungen hat dabei ihren eigenen Schwerpunkt.

Der grundsätzlich neue Ansatz, die gesamte menschliche Biografie ins Zentrum des Interesses zu stellen, ist Anliegen der Biografiearbeit als Beruf. Sie ist somit eine eigenständige Fachrichtung.

 

Zur Arbeitsweise

 

Die Fragen der Menschen bilden den lebendigen Einstieg in die Biografiearbeit.

In der biografischen Einzelarbeit geht es um spezielle persönliche Fragestellungen.

In Biografiekursen und -seminaren stehen grundlegende Themen der Biografie im Vordergrund wie biografische Rhythmen, Lebensgesetzmäßigkeiten oder Beziehungen, Berufsfragen und andere. Sie werden durch praktische Übungen konkretisiert und können durch persönliche Erfahrungen vertieft werden.

Die Arbeitsweise ist eine grundsätzlich phänomenologische. Dies bedeutet: die Ereignisse und Erlebnisse werden nicht bewertet und es wird nicht in sie hinein gedeutet, sondern es wird vielmehr aus ihnen heraus gelesen.

Dies setzt Unbefangenheit voraus. Unbefangenheit ist mehr als Freiheit von Sympathie und Antipathie. Sie ist zugleich eine sich aus der Arbeit an der eigenen Biografie und kontinuierlicher Selbstschulung ergebende innere Freiheit.

Biografiearbeit findet in der lebendigen Begegnung zwischen Menschen statt. Diese braucht Wohlwollen und strebt einen sozialen Wärmeprozess im Miteinander an. Gleichzeitig ist eine gesunde Distanzierungsfähigkeit für die gemeinsame Arbeit grundlegend wichtig.

 

Weitere Tätigkeitsfelder

 

In Einrichtungen, Institutionen oder Firmen können mit den Mitarbeitenden zusätzlich berufs- oder gruppenspezifische biografische Fragestellungen bearbeitet werden, wie z.B. Fragen der Zusammenarbeit, Konfliktarbeit und Reflexion der beruflichen Arbeit auf dem Hintergrund der eigenen Biografien.

Je nach Ausrichtung der jeweiligen Einrichtung können zusätzlich die biografischen Fragestellungen von Klient/innen, Betreuten, Patient/innen, Auszubildenden und Schüler/innen herausgearbeitet und bearbeitet werden.

Ebenso kann die „biografische“ Entwicklung der Einrichtung selbst erarbeitet werden; zu deren Weiterentwicklung oder zu bestimmten Jubiläen oder Gründungsrhythmen.

Gründlich vermittelte Biografiearbeit ist auch in allen Ausbildungen sozialer, pädagogischer, therapeutischer und künstlerischer Berufe sinnvoll.


 

Zur Beachtung:

Biographie-Arbeit findet immer in Eigenverantwortung statt und ist kein Ersatz für eine Therapie.

Oliver Sacks
» Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte «
Aus Kapitel 12:

 

Jeder von uns hat eine Lebensgeschichte, eine Art innerer Erzählung, deren Gehalt und Kontinuität unser Leben ist. Man könnte sagen, dass jeder von uns eine « Geschichte» konstruiert und lebt.
Diese Geschichte sind wir selbst, sie ist unsere Identität.

Wenn wir etwas über jemanden erfahren wollen, fragen wir:

«Wie lautet seine Geschichte, seine wirkliche, innerste Geschichte?»

 

Denn jeder von uns ist eine Biographie, eine Geschichte. Jeder Mensch ist eine einzigartige Erzählung, die fortwährend und unbewusst durch ihn und in ihm entsteht durch seine Wahrnehmungen, seine Gefühle, seine Gedanken, seine Handlungen und nicht zuletzt durch das, was er sagt, durch seine in Worte gefasste Geschichte.

Biologisch und physiologisch unterscheiden wir uns nicht sehr voneinander historisch jedoch, als gelebte Erzählung, ist jeder von uns einzigartig.

 

Um wir selbst zu sein, müssen wir uns selbst haben; wir müssen unsere Lebensgeschichte besitzen oder sie, wenn nötig, wieder in Besitz nehmen. Wir müssen uns erinnern an unsere innere Geschichte, an uns selbst. Der Mensch braucht eine solche fortlaufende innere Geschichte, um sich seine Identität, sein Selbst zu bewahren.